Die Republikaner in den USA: Süchtig nach Trump

Nicht trotz, sondern wegen seiner Gerichtsverfahren führt Trump die Beliebtheitsskala seiner Partei an. Sexismus und Rassismus stört seine Fans nicht.

Kappe mit Aufschrift "Great Again"

Er will die USA „great again“ machen. Schon wieder Illustration: Katja Gendikova

Nach vier strafrechtlichen Anklagen, zahllosen Zivilprozessen und jahrelangen Wahllügen scheinen die meisten republikanischen Wähler Ex-US-Präsident Donald Trump immer noch nicht aufgeben zu können. Einer aktuellen Umfrage zufolge liegt Trump bei den republikanischen Vorwahlen mit 56 Prozent weit an der Spitze, gefolgt von Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida, mit nur 14 Prozent.

Eine etwas verwirrende Situation, wenn man bedenkt, wie viel Ballast der ehemalige US-Präsident mit sich herumschleppt, ganz zu schweigen von seiner Wahlniederlage 2020. Trumps rechtliche Situation hat sich seither nur noch zugespitzt. Gegen ihn wird sowohl auf Bundes- als auch auf Staatsebene ermittelt, nachdem er versucht hat, die letzte Wahl zu kippen. Er wurde wegen sexualisierter Gewalt gegen die Schriftstellerin E. Jean Carroll verurteilt.

Außerdem könnten ihm viele Jahre Haft drohen wegen weiterer Straftaten, wobei gar nicht ausgeschlossen ist, dass er auch vom Gefängnis aus noch für das höchste Amt kandidiert. Trotz alledem scheint Trumps Einfluss auf die Republikanische Partei ungebrochen, was die Frage aufwirft: warum? Eine erste Erklärung ergibt sich aus Trumps Konkurrenz bei den republikanischen Vorwahlen – oder vielmehr aus dem Mangel einer solchen.

Noch Anfang des Jahres herrschte große Aufregung um DeSantis, der als eine Art Trump ohne das juristische Gepäck galt. DeSantis ist vor allem für seinen Erfolg in Florida bekannt, wo er die Gouverneurswahlen 2022 mit einem Erdrutschsieg, einem Vorsprung von 20 Prozentpunkten, vor seinem demokratischen Gegner für sich entschied. Infolgedessen wurde ihm weithin zugeschrieben, dass er dazu beigetragen hat, einen einstmals violetten Staat in tiefes Rot zu färben.

DeSantis ist kein echter Gegner

Mit diesem Ergebnis trieb er die Vorstellung voran, dass er wählbarer sei als Trump und eher in der Lage, Wechselwähler zu gewinnen. Nach seinem Sieg wurde DeSantis in der Grand Old Party (GOP) auch für seine Entscheidung gefeiert, die Wirtschaft Floridas während der Pandemie offenzuhalten, obwohl der Staat eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Todesopfern zu beklagen hatte.

Zudem wurde er für die Flut rassistischer und LGBTQ-feindlicher Gesetzentwürfe gepriesen, die die Legislative seines Bundesstaats verabschiedet hatte, darunter Gesetze, die es Lehrern verbieten, in Schulen über sexuelle Orientierung zu sprechen, und die Diversityinitiativen an Hochschulen angreifen. Damit enden im Grunde die guten Nachrichten für DeSantis.

Trotz der großen Hoffnungen, die einige Republikaner auf ihn setzten, und der stärkeren Unterstützung im vergangenen Winter ist sein Rückhalt in den letzten Monaten stark gesunken. Das beste Umfrageergebnis erreichte er im Januar 2023 mit 37 Prozent gegenüber 44 Prozent für Trump. Seither sind DeSantis’ unbeholfene Wahlkampfauftritte, seine umstrittenen politischen Entscheidungen zu Themen wie Abtreibung und seine verwirrende Fehde mit Disney nur einige seiner Fehltritte, die die Unterstützung seiner Parteifreunde um 20 Prozent sinken ließ.

DeSantis’ schwächelnde Kandidatur ermöglichte es Trump, einige Wähler wieder für sich zu gewinnen. Die größte Sorge einiger republikanischer Wähler ist vermutlich, dass er nicht in der Lage sein wird, genügend Menschen in der Mitte anzusprechen, um Biden zu schlagen. DeSantis hat sich jedoch bisher als derartiger Flop erwiesen, dass einige Republikaner bereit zu sein scheinen, es mit Trump zu riskieren, statt auf den weniger charismatischen Nachahmer zu setzen.

Auftrieb durch die Anklagen

DeSantis hat sich als derartiger Flop erwiesen, dass einige Republikaner es eher mit Trump riskieren, statt auf den Nachahmer zu setzen

Das ist der wichtigste Grund für Trumps anhaltende Popularität: Es gibt einfach keine Alternative, die bei den Wählern wirklich Anklang fände. Zur gleichen Zeit, als DeSantis und andere zu kämpfen hatten, hat Trump durch die Serie von Anklagen nur weiteren Auftrieb erhalten. Man hätte im Grunde davon ausgehen müssen, dass ein Präsidentschaftskandidat durch eine Strafverfolgung wahrscheinlich disqualifiziert, zumindest aber einigen Schaden davontragen würde.

Bei Trump war das nicht der Fall. Stattdessen hat er aus jeder Anklage, die gegen ihn erhoben wurde, Kapital schlagen können, indem er behauptete, er sei das Opfer politischer Angriffe. Diese Behauptung hat, obschon sie nicht den Tatsachen entspricht, funktioniert. Wie die New York Times herausfand, verzeichnete Trump nach mehreren Anklagen – etwa der in New York wegen gefälschter Geschäftsunterlagen und der auf Bundesebene in Florida wegen seines falschen Umgangs mit geheimen Dokumenten – tatsächlich einen Anstieg der Spendeneinnahmen.

Es ist zwar umstritten, inwieweit diese Anklagen ihm in den Umfragen geholfen haben, aber die Daten deuten darauf hin, dass die erste Anklageschrift in New York sein Ansehen unter den republikanischen Wählern um fast acht Prozentpunkte verbessert hat. Die Dynamik ist, dass republikanische Anhänger ihre Unterstützung für Trump wieder aufnehmen, weil sie glauben, dass er zu Unrecht vom Justizministerium und anderen staatlichen Institu­tio­nen verfolgt wird.

Sie empfinden die Anklagen als ungerecht und politisch motiviert, deshalb sehen sie sich in der Pflicht, Trump in Schutz zu nehmen. Er hat es zudem geschafft, die Ermittlungen gegen ihn so zu personalisieren, dass seine Anhänger die Angriffe gegen Trump als direkte Angriffe gegen sich selbst empfinden. Mit dem Rückenwind der Anklageschrift und DeSantis in der Abwärtsspirale befindet sich der frühere Präsident in einer komfortablen Situation.

Ein weiterer Faktor – vermutlich der nächstliegende –, der zu seinem Erfolg beiträgt, ist die Tatsache, dass viele republikanische Wähler ihn aus diversen Gründen schlicht immer favorisieren. Das Republican Accountability Project, eine republikanische Anti-Trump-Gruppe, ist wöchentlich im Gespräch mit zweimaligen Trump-Wählern, um herauszufinden, wie sie über die Wahl 2024 denken.

Trump punktet mit Provokation

Laut Gunner Ramer, dem politischen Direktor der Gruppe, begründen diese Wähler ihre Unterstützung für Trump vor allem mit seiner Persönlichkeit und seiner Bereitschaft, die Dinge beim Namen zu nennen. Wichtig sei für sie außerdem seine von ihnen als erfolgreich empfundene Wirtschaftspolitik. Trumps konfrontative Haltung gegenüber den Liberalen und seine Offenheit, geradeheraus und oft beleidigend über Themen wie Migration zu sprechen, empfinden viele als sehr positiv.

„Was Donald Trump besser als jeder andere republikanische Kandidat vermag, ist das Schüren von Kulturkriegen“, sagt Ramer. Eine Studie, die 2023 in der Zeitschrift American Politics Research veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen, die Trump unterstützten, eher der Meinung waren, dass Minderheiten „zu anspruchsvoll mit ihrer Forderung nach gleichen Rechten“ seien, und dass sie eher eine negative Einstellung zu Ausländern und Einwanderern hatten.

Unter seinen Anhängern sind Trumps offene Äußerungen zu Rassismus und Sexismus keine Schwäche, sondern eine Stärke, denn sie zeigten, dass er bereit sei, seine Positionen direkter und offener zu vertreten als andere Politiker. Die Republikaner weisen auch auf wirtschaftliche Probleme hin, mit denen ihre Anhänger zu kämpfen hätten, etwa mit den Preisen für Treibstoffe und Lebensmittel und den Rückgängen bei ihren Rentenanlagen. Ihr Gefühl sei, dass die Wirtschaft unter Trump stärker gewesen sei und er als Präsident einen guten Job gemacht habe.

Noch bleibt zwar Zeit, dass sich die Dinge ändern, noch könnten andere Kandidaten versuchen, sich vor Beginn der Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur zu profilieren, doch Trump ist insgesamt in einer extrem guten Startposition für die parteiinternen Wahlkämpfe. Ein wichtiger Vorbehalt ist allerdings, dass Trump auf nationaler Ebene besser abschneidet als in den Bundesstaaten, etwa Iowa und New Hampshire, die für die Vorwahlen von Bedeutung sind.

Während er landesweit unter den Republikanern fast 60 Prozent Zustimmung erreicht, liegt er in Iowa bei 46 Prozent und in New Hampshire bei 44 Prozent. Dort könnte ein anderer Kandidat durchaus konkurrenzfähig sein. Eine Schwäche Trumps besteht darin, dass seine Stärke innerhalb der Partei nichts über seine Chancen für die allgemeinen Präsidentschaftswahlen aussagt. Hier steht er vor der Herausforderung, die Wechselwähler wieder für sich gewinnen zu müssen, die sich zuvor von ihm abgewandt haben.

Bei den Wahlen 2020 verlor Trump zahlreiche unabhängige und gemäßigte Wähler an Biden. Das könnte sich wiederholen, denn diese Wählergruppen stehen Trumps rechtlichen Schwierigkeiten, seiner bombastischen Rhetorik und seiner extremen Politik deutlich kritischer gegenüber als die Republikaner. Während die GOP bereit sein mag, Trumps Verfahren beiseitezuschieben, werden diese von den Wechselwählern ernster genommen und für untersuchungsbedürftig gehalten.

Die Demokraten, die sich auch mit den Bedenken der Wähler wegen Bidens Alter und seiner Fähigkeit zu regieren auseinandersetzen müssen, haben wiederholt auf diese Realität hingewiesen. Obwohl Biden mit ernsthaften Hindernissen zu kämpfen hat – etwa einem echten Mangel an Enthusiasmus unter den demokratischen Wählern, sinkenden Zustimmungsraten und Fragen zu den Fähigkeiten von Vizepräsidentin Kamala Harris, das Amt zu übernehmen –, betonen führende Demokraten, dass viele Wähler ihn im Vergleich zu Trump immer noch als einzige Option betrachten. Trotz mangelnder Begeisterung für Biden sehen ihn viele noch immer als die bessere Alternative an.

Aus dem Englischen von Susanne Knaul (mit KI)

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ist politische Korrespondentin bei Vox Media in Washington, D. C., und aktuell Austauschjournalistin bei der taz. Sie berichtet über den US-Kongress und die Wahlen.

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