Frau­en­ärz­t:in­nen streiten um Abtreibung: „Serienstraftäter“ wegen §218

Der Berufsverband der Frauenärzte hat sich gegen eine Legalisierung von Abtreibungen ausgesprochen. 23 Bremer Ärz­t:in­nen üben daran scharfe Kritik.

Frauen haben sich bei einer Demonstration gegen den Paragraphen 218 die Münder mit Klebeband zugeklebt

Frauen bei einem Aktionstag mit Motto Jetzt erst recht! gegen den Paragrafen 218 Foto: Michael Schick/imago

BREMEN taz | Wie können Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzes reguliert werden? Mit dieser Frage hat sich eine von der Bundesregierung einberufene Kommission ein Jahr lang beschäftigt, am 15. April soll das Ergebnis vorgestellt werden. Jetzt erhebt eine Gruppe Bremer Gy­nä­ko­lo­g:in­nen einen schweren Vorwurf gegen den eigenen Berufsverband: Dieser habe verhindern wollen, dass die Kommission auch die Perspektive derjenigen berücksichtigen kann, die neben den Schwangeren am stärksten vom restriktiven deutschen Abtreibungsrecht betroffen sind: Ärz­t:in­nen wie sie, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Die Bre­me­r:in­nen beziehen sich dabei auf eine Stellungnahme, die der Berufsverband der Frauenärzte im Oktober auf deren Anforderung an die Kommission übermittelt hat – eins von 39 Positionspapieren verschiedener Verbände, Vereine, Religionsgemeinschaften und Institutionen zum Thema Abtreibung. Anhand dieser Stellungnahmen haben sich die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in der Kommission ihre Meinung gebildet.

Die Bremer Gy­nä­ko­lo­g:in­nen kritisieren die Stellungnahme des Berufsverbands der Frauenärzte als einseitig. Tatsächlich spricht sich der Verband in seinem achtseitigen Schrei­ben klar gegen eine Legalisierung aus. Er begründet seine Position damit, der Paragraf 218 schütze die Interessen der Kolleg:innen, die sich nicht an Schwangerschaftsabbrüchen beteiligen wollen. Das ist sachlich falsch, denn es gibt andere rechtliche und lebenspraktische Möglichkeiten, die erzwungene Teilnahme an einer Abtreibung auszuschließen.

Ein weiteres Argument, das der Verband anführt, ist noch steiler: Sollte der Schwangerschaftsabbruch nicht mehr als Straftat gelten, wären weniger Ärz­t:in­nen als jetzt bereit, Abtreibungen durchzuführen. Das würde die Versorgung gefährden. Denn diese sei, anders als es „im öffentlichen Diskurs“ dargestellt werde, gut. Engpässe kann der Berufsverband keine erkennen.

„Serienstraftäter“ wegen Paragraf 218

Wer das Thema verfolgt hat, reibt sich an dieser Stelle die Augen. Richtig ist: Erst am 10. April werden erstmals gesicherte empirische Daten zur Versorgungssituation veröffentlicht, wenn die Ergebnisse der sogenannten Elsa-Studie vorgestellt werden. Aber bereits jetzt ist durch zahlreiche Recherchen von Jour­na­lis­t:in­nen – zuerst 2017 in der taz – bekannt geworden, dass es Regionen gibt, in denen Schwangere 150 Kilometer und mehr für eine Abtreibung fahren müssen.

Auch in vielen Großstädten gibt es mittlerweile immer weniger Ärz­t:in­nen und Kliniken, bei denen das möglich ist. Schwangere müssen entweder warten oder längere Wege auf sich nehmen. Im vergangenen Jahr hatte das Magazin der Beratungsorganisation Pro Familia vorab aus der Elsa-Studie berichtet: Danach hatte jede zweite befragte Frau über „Schwierigkeiten beim Zugang zum Schwangerschaftsabbruch“ berichtet.

Die 23 Me­di­zi­ne­r:in­nen aus Bremen und dessen Umland haben dem Vorsitzenden des Berufsverbands schon im November in einem Brief vorgeworfen, der Verband missachte mit der Stellungnahme ihre Belange. „Wir fühlen uns in keiner Weise repräsentiert“, heißt es darin. Denn sie lehnten die bestehende Gesetzeslage ab, weil sie Frauen bevormunde und ihnen Schuldgefühle auflade. Zudem mache der Paragraf 218 aus ihnen „Serienstraftäter“.

Der Hintergrund: Schwangerschaftsabbrüche gelten in Deutschland als Straftat, die straffrei bleibt, wenn die Schwangere sich hat beraten lassen, eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten hat und nicht mehr als zwölf Wochen nach der Empfängnis vergangen sind.

Die Bremer Me­di­zi­ne­r:in­nen haben den Bundesverband auch dazu aufgefordert, eine alternative Stellungnahme von Gy­nä­ko­lo­g:in­nen im Verbandsmagazin Der Frauenarzt abzudrucken. Diese hatten sie gemeinsam mit rund 70 weiteren Ärz­t:in­nen aus ganz Deutschland verfasst, darunter Kristina Hänel aus Gießen, die erfolgreich gegen das Informationsverbot zu Abtreibungen gekämpft hatte. Ein kleiner Teil der Unterzeichnenden nimmt keine Schwangerschaftsabbrüche vor. Die gemeinsame Stellungnahme, die sie auch an die Kommission geschickt haben, fordert die Streichung des Paragrafen 218. Er stigmatisiere eine medizinische Leistung als Straftat und schrecke Me­di­zi­ne­r:in­nen ab, sie anzubieten.

Der Bundesverband lehnte jedoch den Abdruck im Verbandsmagazin ab und kann den Vorwurf der Einseitigkeit nicht nachvollziehen. Die nicht namentlich gekennzeichnete Stellungnahme sei im Vorstand abgestimmt worden, heißt es in einer Mail. Die taz hat alle sechs Vorstandsmitglieder schriftlich gefragt, ob sie selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Niemand hat die Frage beantwortet.

Es gibt in Deutschland rund 19.000 praktizierende Gynäkolog:innen. Wie viele von ihnen medikamentös oder chirurgisch Schwangerschaften abbrechen, ist unbekannt. Laut Statistischem Bundesamt gab es zuletzt 1.200 Stellen, die Schwangerschaftsabbrüche melden. Dort können auch mehrere Ärz­t:in­nen beschäftigt sein.

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