G20-Gipfel 2017 in Hamburg: Drei Polizisten werden angeklagt

Die Generalstaatsanwaltschaft hat alle Verfahren gegen Po­li­zis­t:in­nen in Zusammenhang mit G20 untersucht. In einem wurde Anklage erhoben.

Zwei Polizisten im Vordergrund, noch mehr dahinter auf der Straße in Hamburg. Es ist dunkel, es sind Rauchwolken zu sehen.

Beim G20-Gipfel waren Polizisten, aber keine Gewalt: Diese Erzählung hatte Olaf Scholz vorgegeben Foto: Miguel Ferraz

BREMEN taz | Sechs von 157 oder 3,8 Prozent: So viele bereits eingestellte Verfahren gegen Po­li­zis­t:in­nen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel im Jahr 2017 musste die Hamburger Staatsanwaltschaft wieder aufnehmen. Das habe eine Nachprüfung aller Ermittlungsverfahren seit 2018 durch die Generalstaatsanwaltschaft ergeben, teilte am Montag die Hamburger Staatsanwaltschaft mit.

In einem Fall sei im September Anklage vor dem Amtsgericht Mitte erhoben, aber von diesem noch nicht zugelassen worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Dienstag der taz. Dabei handle es sich um drei Männer im Alter von 35 bis 46 Jahren, die am 7. Juli 2017 am Bismarckdenkmal einen G20-Gegner verprügelt haben sollen. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung im Amt vor. Das Strafmaß sei drei Monate bis fünf Jahre.

„In zwei weiteren Verfahren dauern die Ermittlungen auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft noch an“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. In einem Fall gehe es um einen Polizisten, der am Schulterblatt im Schanzenviertel mit dem Schlagstock auf einen Mann eingeschlagen haben soll, so die Sprecherin. In dem anderen Verfahren gebe es drei Beschuldigte.

Die drei übrigen Verfahren sind nun endgültig eingestellt worden. Eins habe mit Zahlung einer Geldbuße geendet, eins sollte wegen Geringfügigkeit nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung abgeschlossen werden, so die Staatsanwaltschaft. Der beschuldigte Polizeibeamte sei jedoch inzwischen verstorben.

Beinbruch durch Polizisten wird nicht weiter ermittelt

Über die Einstellung des dritten Verfahrens hatte die taz vor einer Woche berichtet, die Staatsanwaltschaft bestätigte es jetzt. Dabei ging es um einen Schlagstockeinsatz gegen eine junge Frau, die damals mit einer Musikgruppe als Tänzerin aufgetreten war. Sie hatte ausgesagt, dass sie in der Nähe des Arrivati-Parks von Polizisten verprügelt worden war. Dabei wurde ihr von einem Mann das Wadenbein gebrochen.

Die Frau erhielt, nachdem sie vor einem Zivilgericht geklagt hatte, 4.770 Euro Schadenersatz und die Erstattung ihrer Anwaltskosten von der Polizei. Das strafrechtliche Verfahren war bereits drei Mal eingestellt worden, weil sich der exakte Täter nicht ermitteln ließ, so die Begründung.

Im August 2022 habe die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren selbst übernommen, teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft jetzt mit. „Es ließ sich jedoch trotz intensiver Auswertung von Videosequenzen und Durchsuchungen in Baden-Württemberg nicht mehr klären, welcher von drei Polizeibeamten die Körperverletzung zulasten einer unbeteiligten Passantin begangen hatte.“

Auch die Auswertung sicher gestellter Chat-Nachrichten habe keinen Tatnachweis erbracht. In diesen habe einer der Beschuldigten „unbestimmte Gewalthandlungen während des G20-Gipfels grob verherrlicht“, so die Staatsanwaltschaft. „Seine Äußerungen werden nun aber an die Dienstvorgesetzten in Süddeutschland weitergeleitet.“

Mit der Überprüfung der 157 Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft sollte „einer unvermindert kritischen Berichterstattung begegnet und eine weitere unabhängige Instanz im Hinblick auf die staatsanwaltschaftliche Sachbehandlung geschaffen werden“, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Auch Unbeteiligte waren zum Teil schwer verletzt worden

In zahlreichen Fällen habe sich erwiesen, „dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges gegenüber Demonstranten gesetzlich gerechtfertigt war“. In dem einzigen Fall, der nicht eingestellt wurde, hatte es einen Strafbefehl gegen einen Polizisten gegeben, der einen Kollegen verletzt hatte, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Bei den Protesten gegen das zweitägige Gipfeltreffen von Po­li­ti­ke­r:in­nen und Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen von 20 Industrie- und Schwellenländern im Juli 2017 waren zahlreiche De­mons­tran­t:in­nen und Unbeteiligte zum Teil schwer verletzt worden, Bür­ge­r:in­nen wurden teilweise über einen Tag lang in Gefangenensammelstellen festgehalten.

Der damalige Hamburger Bürgermeister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Polizeieinsatz mit der Gewalt gegen Po­li­zis­t:in­nen und Gegenstände gerechtfertigt, die De­mons­tran­t:in­nen ausgeübt hatten. Gegen sie hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft zahlreiche Verfahren eröffnet. Viele der jungen Menschen waren in erster Instanz zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Ein 24-jähriger Franzose war erst nach 16 Monaten Untersuchungshaft entlassen worden.

Im Nachhinein hatten Gerichte festgestellt, dass viele von Hamburg erlassene Versammlungsverbote rechtswidrig waren. Die harte Linie von Polizei und Innenbehörde gilt als eine der Ursachen dafür, dass die Proteste so eskalierten.

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