Politischer Aschermittwoch der CSU: Daddy in der wokenessfreien Zone

Beim Politischen Aschermittwoch kalauert sich Markus Söder durch die politische Landschaft. So manchen Ausreißer kann er sich nicht verkneifen.

Ministerpräsident Markus Söder bei einem Auftritt.

Lieblingspose: Ministerpräsident Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau Foto: Leonhard Simon/reuters

PASSAU taz | Natürlich kann man sich schon mal wieder die Grundsatzfrage stellen: Was ist das hier? Und wofür soll das gut sein? Satire? Realsatire? Eine Fortsetzung des Faschings mit anderen Mitteln? Oder einfach ein stinknormaler bayerischer Stammtisch – nur halt etwas größer, derber und bierdimpflesker? Das Geschehen auf dem Politischen Aschermittwoch der CSU dürfte so manchen Beobachter ratlos zurücklassen.

Kennen Sie zum Beispiel den? Es habe ja schon Sozialdemokraten gegeben, die mit großen Sätzen in die Geschichte eingegangen sind. Zum Beispiel Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen!“ Von Gerhard Schröder dagegen bleibe nur: „Hol mir mal ’ne Flasche Bier.“ Und jetzt kommt’s: „Bis heute kann man das in seinem Gesicht sehen.“ Ein Brüller. Ist natürlich von Markus Söder. Der Saal grölt.

Das nur mal so zur humoristischen Standortbestimmung, damit man gleich weiß, auf welchem Niveau man sich hier in Passau befindet. Wobei: Das Thema Bier passt natürlich. Nicht unbedingt für den Redner, der für gewöhnlich eine gepflegte Cola light bevorzugt, aber für die Veranstaltung. Schon um 9 Uhr in der Früh sind hier die ersten Masskrüge geleert, die Stimmung ist entsprechend.

In jedem Fall ist diese Veranstaltung, zur der alljährlich die CDU Peine genauso pilgert wie der CSU-Freundeskreis Paderborner Land oder eine Abordnung der Österreichischen Volkspartei, etwas Außergewöhnliches. Dieses „Hochamt derjenigen mit gesundem Menschenverstand“, diese „ultimative Fankurve der CSU“, so die Beschreibungen der CSU-Landesleitung, gibt es definitiv nirgends sonst. Man mag freilich einwenden, das könnte auch Gründe haben.

Bayern gegen den Rest der Welt

Das Original. Noch so ein Label, das hier gern bemüht wird. Stimmt natürlich so wenig wie Andreas Scheuers einstige Behauptung, dass sich 10.000 Besucher in der Dreiländerhalle befänden. Inzwischen hat man die Zahl etwas relativiert: „Gefühlt“ 10.000 seien da, heißt es nun Jahr für Jahr.

Das Urheberrecht aufs Original jedenfalls hat eigentlich der Bayerische Bauernbund, der 1919 die erste politische Aschermittwochskundgebung im nahegelegenen Vilshofen veranstaltete. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst die damals noch starke Bayernpartei, die das Format zum politischen Schlagabtausch kaperte. Erst dann stieg auch die CSU ein. Noch heute sind die kraftvollen Auftritte von Franz Josef Strauß – ursprünglich auch in Visholfen im Wolferstetter Keller, später dann in der Nibelungenhalle in Passau – im kollektiven Gedächtnis der Partei fest verankert.

Zurück zu Söder, demzufolge der Politische Aschermittwoch „der geilste Termin des Jahres für jeden Politiker“ ist. Und der gleich zu Beginn seiner Rede klarmacht, worum es geht: Bayern gegen den Rest der Welt. Oder zumindest den Rest Deutschlands.

Bayerische Flagge auf dem Mond

„Tachchen, Moin Moin, Hallöchen“, begrüßt er seine Fans mit verstellt hoher Stimme. So begrüße man sich im Norden. Aber: „Das ist nichts für uns. Wir sagen: Servus und Grüßgott in Bayern.“ Man fühlt sich gleich zwei, drei Jahrzehnte zurückversetzt, als in Bayern noch „tschüssfreie Zonen“ ausgerufen wurden und es sich mit billigen Preußenklischees gut punkten ließ. Passau hingegen wird für heute von Söder zur „ampel- und wokenessfreien Zone“ ausgerufen.

Der Rest ist business as usual. Da wird die Ampel als Kiffer-Connection bezeichnet, das neue Wahlrecht als „echte Ampelsauerei“, die Bayern mundtot machen solle. Es geht gegen den Länderfinanzausgleich und die Erbschaftssteuer. An allem sei überhaupt nur der Neid auf Bayern schuld. Auf das Land, das die sechstgrößte Volkswirtschaft Europas sei, die meisten Dax-Unternehmen habe, die meisten Handwerksmeister, die meisten Nobelpreise, das beste Essen der Welt und die niedrigste Kriminalitätsrate. Und: „Mal ganz ehrlich: So eine bayerische Flagge auf dem Mond, das würde mir gefallen.“

Durch die Halle werden ein paar ausgewählte Schilder getragen. „Die Ampel muss weg“, steht darauf. Oder: „Nur die Union kann Deutschland retten.“ Oder: „M. Söder Superstar“. Die Standing Ovations für den Superstar jedenfalls sind nicht inszeniert.

„Landespapa und CSU-Daddy“

Auch zum Thema Bildung hat der „Landespapa und CSU-Daddy“, wie Söder sich selbst nennt, einiges zu sagen. Etwa dass das Bremer Abitur bestenfalls die Qualität einer niederbayerischen Baumschule habe. Nach einer Entschuldigung bei den niederbayerischen Baumschulen fragt Söder noch: „Was unterscheidet meinen Hund Molly von Kevin Kühnert und Ricarda Lang?“ Antwort: „Mein Hund hat eine abgeschlossene Ausbildung.“

Zur AfD findet der CSU-Chef ein paar wenige, aber deutliche Worte: „Sage bitte diesmal keiner, er hätte es nicht gewusst“, bittet er. „Lasst uns die Demokratie gemeinsam verteidigen. Wir haben nur eine.“ Die AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steine bezeichnet er als „Leni Riefenstahl für Arme“, Björn Höcke als „Putin-Pudel Nummer eins“.

Vergleich mit Margot Honecker

Vor allem ist es ein Versprechen, das sich durch Söders Auftritt zieht: die Absage an Schwarz-Grün im Bund: „Wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung. Grün ist out. Schluss mit den Oberlehrern und Besserwissern.“

Die Attacken gegen Grün unterscheiden sich nicht von den Bierzeltreden während des Wahlkampfes, sind eher noch eine Spur härter. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wolle Sozialismus in Deutschland, sagt Söder. Bundesumweltministerin Steffi Lemke wiederum bezeichnet er als „grüne Margot Honecker“. Sie sei ein Musterbeispiel für den Versuch der Grünen, die Freiheit der Fleißigen durch immer neue Auflagen einzuschränken.

Und dann gibt sich Söder noch ganz in der Tradition der separatistischen Bayernpartei: „Wenn ihr uns nicht wollt, dann macht es halt allein“, ruft er in Richtung Berlin. „Bayern kann ohne Deutschland leichter leben als Deutschland ohne Bayern.“

Meint er wahrscheinlich nicht so. Genauso wenig wie den Vorschlag, nicht nur Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk einzusparen, sondern auch noch die dazugehörigen Bundesländer. Am Aschermittwoch weiß das ja keiner so genau. Sorgen jedenfalls, so das überraschende Fazit, müsse sich keiner machen: „Der Fritz und ich werden das schon richten und wuppen in Deutschland.“

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