SPD-Generalsekretär über rechte Angriffe: „Wahnsinnige Grenzüberschreitung“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigt sich im Interview mit der taz „geschockt“ über Angriffe auf Wahlkampfteams. Der AfD wirft er „eine klammheimliche Zufriedenheit“ vor.

Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär, sitzt vor einem großen SPD-Logo

Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

taz: Herr Kühnert, wie geschockt waren Sie, als Sie von dem Überfall auf Matthias Ecke gehört haben?

Kevin Kühnert: Ich war sehr geschockt. Nicht nur, weil das eine wahnsinnige politische Grenzüberschreitung ist. Sondern auch, weil ich Matthias lange und gut persönlich kenne, ebenso wie seine Familie und seinen Freundeskreis, die jetzt natürlich auch betroffen sind. Und ich weiß, welche Auswirkungen das auf den Wahlkampf haben wird und auf die Gedanken, die sich unsere Mitglieder machen, wenn sie als Sozialdemokraten vor die Tür gehen und werben.

Wissen Sie, wie es Matthias Ecke gerade geht?

Den Umständen entsprechend gut. Er hat Frakturen im Gesicht erlitten und muss operiert werden. Aber er ist ansprechbar und wir stehen im Austausch. Er legt eine große Entschlossenheit an den Tag, diesen Wahlkampf durchzuziehen. Das kann man ihm nicht hoch genug anrechnen.

Jahrgang 1989, ist mit 15 Jahren in die SPD eingetreten, war Bundesvorsitzender der Jusos und ist seit Dezember 2021 Generalsekretär der SPD.

Wissen Sie mehr über die Hintergründe des Überfalls? Es heißt, die Täter seien schwarz gekleidet und möglicherweise aus der rechten Szene.

Ich habe dafür im Moment keine Belege und will deshalb darüber nicht spekulieren. Aber unabhängig von den konkreten Tätern, sind wir ja alle in der Lage festzustellen, wer in den letzten Jahren zur Verrohung der politischen Auseinandersetzung beigetragen hat.

Sie meinen die AfD.

Beispielsweise die AfD. Wir haben alle noch den Satz von Alexander Gauland „Wir werden sie jagen“ im Ohr. Jetzt wird gejagt. Und mein Eindruck ist, niemand in der AfD spürt nicht eine klammheimliche Zufriedenheit darüber.

Welche Auswirkungen hat dieser Überfall auf den Wahlkampf. Viele werden sich doch fragen: ‚Kann ich noch gefahrlos ein Plakat aufhängen?‘

Wir tragen Verantwortung für unsere Mitglieder im Wahlkampf und werden noch einmal intensiv über Wahlkampfkonzepte reden. Wir werden Mindestteilnehmerzahlen für Aktionen wie Plakatierungen und Stände festlegen müssen. Zum Selbstschutz. Wir werden Sicherheitsbehörden noch gründlicher informieren müssen, bevor wir öffentlich auftreten und öffentliche Veranstaltungen abhalten. Das scheint heute leider zum Einmaleins von etwas so Profanem wie einem Wahlkampf zu gehören.

Tauschen Sie sich auch mit den Grünen aus, deren Mitglieder ja auch vermehrt unter Angriffen leiden?

Die Parteien tauschen sich vor Ort und bundesweit dazu aus. Ich werde auch auf meine Kollegen, die Generalsekretäre und Geschäftsführer der demokratischen Parteien zugehen, damit wir uns abstimmen und Erfahrungen austauschen. Die Reaktionen aus den Landesverbänden zeigen, dass das Ausmaß noch viel größer ist: Wir erleben, dass Wahl­hel­fe­r:in­nen bedroht und Plakate über Nacht systematisch wieder abgehängt werden.

Was erwarten Sie von den Sicherheitsbehörden? Müssen der Wahlkampf und die Hel­fe­r:in­nen besser geschützt werden?

Ich erlebe die Sicherheitsbehörden dort, wo wir sie hinzuziehen, als sehr aufmerksam und kooperativ. Aber wir als Zivilgesellschaft dürfen das, was sich an solchen Überfälle wie auf Matthias Ecke gezeigt hat, nicht auf Sicherheitsbehörden auslagern. Dass wir überhaupt Sicherheitskräfte brauchen, um Demokraten beim Ehrenamt zu schützen, ist etwas, was uns allen zu denken geben muss. Aus dieser Situation müssen wir wieder rauskommen, sie ist für eine Demokratie unhaltbar.

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