Trump und AfD: Nicht in die Falle tappen

Eine weitere Amtszeit Donald Trumps als Präsident ist eine reale Gefahr. Die Dynamik der Rechten muss gebrochen werden – nicht nur in den USA.

Donald Trump hebt seinen rechten Arm in die Luft.

Donald Trump am Donnerstag, 11. Januar 2024, in New York, nachdem sein Zivilprozess wegen Betrugs abgeschlossen wurde Foto: Stefan Jeremiah/ap

Diesen Montag beginnt im US-Bundesstaat Iowa nun tatsächlich die Vorwahlsaison der Republikaner, an deren Ende aller Wahrscheinlichkeit nach Donald Trump erneut als Präsidentschaftskandidat gekürt werden wird. Das allein ist schon deprimierend – könnte aber auch eine gute Nachricht sein, wenn denn sicher davon auszugehen wäre, dass sich die US-Konservativen mit der erneuten Nominierung dieses narzisstischen, hochstapelnden Lügners und notorischen Gesetzesbrechers selbst ins Aus schießen. Nur: In allen Umfragen zur Wahl im November liegen der amtierende demokratische Präsident Joe Biden und Donald Trump derzeit praktisch gleichauf, mit Vorteilen für Trump.

Das erzeugt Ängste, nicht nur in den USA, und immer noch Unverständnis. Wie kann man nur? 2020 brachte diese Angst vor einer weiteren Trump-Amtszeit Biden ins Amt, der mit einer historischen Rekordzahl an Stimmen gewählt wurde. 2016 hatte das mit Hillary Clinton noch nicht funktioniert – einerseits, weil sie unfassbar unbeliebt war, andererseits, weil sich damals noch fast niemand vorstellen konnte, dass Trump wirklich gewinnen könnte – Michael Moore und Bettina Gaus ausgenommen.

Diesmal ist es andersherum: Vielen fehlt inzwischen die Vorstellungskraft, wie Trump zu verhindern sein könnte. Und: Es ist frus­trie­rend und ermüdend, ständig in der Defensive zu sein, zur Verteidigung eines wahrlich nicht perfekten demokratischen Systems, für Minderheitenrechte, Klimaschutz, Pressefreiheit und zivilen politischen Diskurs eintretend. Es scheint, als sei zum Gestalten kein Spielraum mehr; im Vordergrund steht die Abwehr dieser Welle aus völkischem Rassismus, Vorurteilen und verschwörungsideologischen Lügengeschichten.

Nimmt man die aktuellen Reden Joe Bidens zum Maßstab, dann schätzt es auch sein Wahlkampfteam so ein, dass Bidens Weg zur Wiederwahl nur über eine Anti-Trump-Mobilisierung funktioniert. Statt über seine eigenen Errungenschaften – die es ja gibt! – oder seine Pläne für die Zukunft zu sprechen, redete Biden über Trump, über dessen Versuch, das Wahlergebnis von 2020 in sein Gegenteil zu verkehren, die Gefahr für die Demokratie, die von Trump ausgeht. Alles daran ist richtig – und trotzdem tappt Biden so direkt in die Falle, die von den Trumps dieser Welt inzwischen in fast allen westlichen Demokratien ausgelegt wird.

Die umstürzlerische Rechte braucht nicht einmal Mehrheiten, um ihr Zerstörungswerk von innen und außen voranzutreiben

Je dystopischer der Rechtspopulismus im Verbund mit faschistischen Kräften die Gegenwart zeichnet – Illegale Masseneinwanderung! Bevölkerungsaustausch! Klimalüge! Kriminalität! Elitenherrschaft! –, desto mehr sehen sich liberale De­mo­kra­t*in­nen gefordert, ständig nachzuweisen, dass das alles Quatsch ist – und laufen dabei Gefahr, reale Probleme kleinzureden und nicht anzugehen. Auch so geht Vertrauen verloren.

Das Phänomen geht längst über die USA hinaus. In diesem Jahr, mit Europawahl und drei ostdeutschen Landtagswahlen, bei denen die rechtsextreme AfD stärkste Partei zu werden droht, ist die steigende Sorge vor einem neuen Faschismus inzwischen zumindest in linksliberalen Bevölkerungsteilen zur bestimmenden politischen Emotion geworden. „Nie wieder ist jetzt!“ meint ja längst mehr als die Sorge um die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland.

Selbsterfüllende Prophezeiung

Aber wir stellen auch frustriert und ungläubig fest, dass das kein allgemeines Gefühl jener großen Mehrheit ist, die nicht AfD wählt. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang klagte diese Woche, die Öffentlichkeit habe immer noch nicht begriffen, wie groß die rechtsextremistische Bedrohung inzwischen ist. Und so fallen die politischen Gefühls-, Informations- und Erlebniswelten immer weiter auseinander. Der inhaltsbezogene Streit um die richtige Lösung, den Demokratie braucht wie die Luft zum Atmen, wird immer schwieriger zu führen. Damit wird das rechte Gerede von der dysfunktionalen Demokratie zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Die umstürzlerische Rechte braucht nicht einmal Mehrheiten, um ihr Zerstörungswerk von innen und außen voranzutreiben.

Die Dynamik ständigen Wachstums der Rechten muss gebrochen werden, sie muss Rückschläge erleben. In den USA 2020, in Brasilien 2022 und in Polen 2023 ist es gelungen, solche Regierungen wieder loszuwerden, bevor ihre Macht absolut geworden ist. Damit sind sie natürlich nicht weg, aber erst einmal gedämpft. Es dreht die Dynamik um, wenn in Zahlen zu sehen ist, dass diese selbsterklärten wahren Vertreter des Volkes genau das eben nicht sind. Genau deshalb behauptet ja Donald Trump so hartnäckig, er habe in Wirklichkeit gewonnen. Irgendwann kann man diese Leute rechts liegen lassen. Bis dahin: Organisieren, gute Vorschläge machen und Wahlen gewinnen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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