Unzufriedenheit beim Sex: Männer, schließt den Orgasmus-Gap!

Heteromänner sollten sich mehr der Kunst verschreiben, Frauen beim Sex zum Höhepunkt zu bringen. Denn da klafft eine riesige Lücke.

Graffiti an einer Hauswand: Have a great orgasm

Vielleicht helfen den Hertero-Frauen die guten Wünsche Foto: Tobias Seeliger/imago

Stell dir vor, du sitzt an einem reich gedeckten Tisch, dein Partner bekommt ein vorzügliches 7-Gänge-Menü aufgetischt und du nur einen trockenen Keks. Als ich die Net­flix-Doku über „die Prinzipien der Lust“ mit genau diesem Aufhänger zum Thema „Orgasmus-Lücke“ zwischen Heteromännern und -frauen anschaute, war ich entzückt. Endlich ist das Thema massentauglich! Genau so schmeckt die Orgasmus-Lücke – wie ein trockener Keks. Die Gender Pay Gap ist bereits in aller Munde. Ja, wir Frauen verdienen weniger, haben geringere Renten, ein höheres Risiko für Altersarmut. Aber offensichtlich sind wir auch im Bett arm dran.

Im bisher größten Umfang hatte eine ­Studie aus den USA die sogenannte Orgasm Gap offengelegt. Befragt wurden 2017 mehr als 50.000 Leute, ob sie regelmäßig einen Orgasmus erleben, wenn sie sexuell mit jemandem intim sind. 95 Prozent der Heteromänner sagen Ja. Den zweiten Platz dieser Orgasmus-Erfolgsquote nehmen schwule Männer ein; sie stimmen zu 89 Prozent zu. Gut schneiden auch lesbische Frauen ab, mit 86 Prozent Zustimmung. Werden heterosexuelle Frauen gefragt, geben nur noch 65 Prozent an, dass sie regelhaft beim partnerschaftlichen Sex einen Orgasmus erleben. Da ist sie: die „Orgasmus-Lücke“.

Und jedem, der immer noch damit um die Ecke kommt, der Orgasmus der Frau sei komplizierter, etwas, das nur gelingt, wenn Mond und Sterne in seltener Formation stehen, widersprechen die 86 Prozent der homosexuellen Frauen. Das Problem ist also grob eingekreist. Es sind, wie oft in der feministischen Theorie, die Heteromänner. Oder besser, der Sex mit ihnen.

Für Feministinnen ist das ein alter Hut. Alice Schwarzer machte Männern früh klar: Eure ewige Penetration bringt Frauen nichts! Zumindest nichts, was den Höhepunkt angeht. Denn fast jeder Orgasmus der Frau wird klitoral erzeugt. Die Klitoris ist ein Organ, voll erigiert so groß wie ein Durchschnittspenis, mit Schwellkörpern, die bis tief um die Vagina im Becken liegen. So kann sie direkt außen an der Klitoris­eichel oder indirekt von innen durch die Vaginalwände stimuliert werden. Die Vagina ist mit weniger Nerven ausgestattet, ein Muskelschlauch, aber in enger Nachbarschaft zur Klitoris. Auch hierzu gibt es Studien. So erreichen nur 18 Prozent der Frauen die Klimax bei vaginaler Penetration allein, im Vergleich kommen 75 Prozent zum Orgasmus, wenn auch die Klitoris stimuliert wird.

Auf eine von vielen Erklärungen für die miserable 65-Prozent-Quote stieß ich im Medizinstudium: Nach einer wirklich präzisen Beschreibung der klitoralen Anatomie konnte ich da lange suchen. Zufall ist das eher nicht, die Auslöschung der Klitoris aus Anatomie-Atlanten hat historische Tradition. Erst heute werden immer mehr Medizin- und Biologiebücher um komplexere Abbildungen aktualisiert. Und auch der positive Zusammenhang zwischen dem Wissen über die klitorale Anatomie und der Orgasmus-Frequenz von Frauen ist wissenschaftlich untersucht. Wer also heute noch Probleme hat, die Klitoris zu finden, der soll googeln. Spätestens seit „OMGyes“, einer von Wis­sen­schaft­le­r:in­nen entworfenen Plattform, in der die klitorale Stimulation via Touchscreen am Handy geübt werden kann, hat Mann keine Ausrede mehr. Und für diejenigen, denen das zu technisch und Anatomie-Atlanten zu sperrig sind, bleibt die Option, Frauen selbst um Anleitung zu bitten.


Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Warum die Sache nicht sportlich angehen? Wettkampf hilft angeblich, die Produktivkräfte des prototypischen Heteromanns zu entfalten. Also: Mit jedem weiblichen Orgasmus schließt du die Lücke! Wer zählt da noch Bundesliga-Tore? Es gibt ein neues Ziel.

Denn auch wenn die Natur der Frau so manchen Nachteil beim sexuellen Vergnügen in den Weg gelegt hat, man nenne nur die zu kurz geratene Harnröhre und die stete Sorge vor Blasenentzündungen, ein Geschenk hat sie Menschen mit Klitoris gemacht: die fehlende Refraktärzeit nach einem Orgasmus. Sprich, die Möglichkeit, multiple Orgasmen zu erleben. Brauchen Männer eine Erholungspause, in der die Schwelle zum Orgasmus nicht wieder überschritten werden kann, so sind Frauen sofort wieder bereit, den nächsten Gang serviert zu bekommen. Judith Rieping

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.