Verbandschefin nennt Björn Höcke „Nazi“: Polizeiermittlung wegen Beleidigung

Cornelia Kerth von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes hat Björn Höcke einen „Nazi“ genannt. Nun ermittelt das Landeskriminalamt gegen sie.

Cornelia Kerth hält vor dem Rathaus von Rostock eine Gedenktafel in der Hand und spricht in ein Mikro.

Da war Björn Höcke noch nicht als Nazi bekannt: Cornelia Kerth 2012 vor dem Rostocker Rathaus Foto: dpa | Stefan Sauer

HAMBURG taz | Cornelia Kerth war überrascht, als sich vor einigen Tagen das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) meldete, um die 69-Jährige über eine Ermittlung gegen sie zu informieren. Die Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) soll, so der Anfangsverdacht, nämlich eine Straftat begangen haben. „Auf die Idee muss man erst einmal kommen“, sagt Kerth dazu. „Die Hamburger Polizei hält es also eventuell für eine Straftat, das zu sagen, was die Spatzen von den Dächern pfeifen.“

Denn gegen Kerth ermittelt die Polizei wegen eines Plakats: Es zeigt Thüringens AfD-Vorsitzenden Björn Höcke mit erhobenem Arm, dazu die Aufschrift „Björn Höcke ist ein Nazi“. Das Plakat hing an der Rückseite des VVN-BdA-Infostands beim „Befreiungsfest“ am 8. Mai in Hamburg.

Im Telefonat mit dem LKA habe Kerth kurzerhand nachgefragt, wer denn die Anzeige erstattet habe. Man habe ihr gesagt, dass ein Polizist das Plakat gesehen hat und davon ausgegangen ist, es handelt sich um eine Straftat.

Tatsächlich bestätigt die Hamburger Polizei auf Nachfrage der taz, dass es im Verlauf einer Versammlung Hinweise darauf gab, dass die Botschaft auf dem Plakat gegen Paragraph 188 des Strafgesetzbuches verstößt, sie also eine „gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung“ darstellen könnte.

Einschüchtern lassen will sich Kerth von dem Vorgang nicht. Sie findet es wichtig, sich gegen die AfD und Höcke zu positionieren: „Er selbst lässt keine Gelegenheit aus, sich als Nazi zu präsentieren, indem er immer wieder bewusst Formulierungen wählt, die den historischen Faschismus zitieren.“ Es sei notwendig, in aller Klarheit dagegen Stellung zu beziehen.

Der gleiche Fall wie in Hessen

Cornelia Kerth ist eine von zwei Bundesvorsitzenden im VVN-BdA. Dort organisiert sie die Zusammenarbeit mit anderen politischen Gruppen, koordiniert die Arbeit im VVN-BdA und vertritt diese nach außen. So hat Kerth auch am 8. Mai in Hamburg viel auf der Bühne zu tun gehabt und habe gar nicht sehen können, wie ein Polizist mutmaßlich ein Foto von dem Plakat machte.

Die Sozialwissenschaftlerin ist schon seit 2002 Bundesvorsitzende. Davor war sie bereits Sprecherin des westdeutschen VVN-VdA. In den 1990ern arbeitete sie als Lehrerin und Sozialpädagogin. Sie ist seit den Anfängen der Linken Parteimitglied und kandidierte zur Bundestagswahl mehrere Male als Direktkandidatin der Linken in Hamburg-Wandsbek, zuletzt 2017.

Mittlerweile ist Kerth in Rente – aber nicht weniger aktiv: Neben ihrem Vorsitz im VVN-BdA ist sie mit einem kleinen Stellenanteil beim Landesverein der Sinti in Hamburg tätig. Außerdem engagiert sie sich über ihre Stelle beim VVN-BdA unter anderem beim Hamburger Bündnis gegen Rechts und beim Café Exil, einer Beratungsstelle für Migrant*innen.

Nach der ersten Überraschung über die aktuelle Ermittlung zeigt sie sich nun gelassener: „Ich bin guter Dinge, dass es so ausgeht wie in Hessen.“ Auch dort gab es im Mai Ermittlungen gegen den VVN-BdA-Landessprecher, weil er ein selbstgebasteltes Plakat, ebenfalls mit der Aufschrift „Höcke ist ein Nazi“, hochhielt. Das Verfahren wurde aber kürzlich von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

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