Umverteilung gegen Armut: Reiche essen sich nicht selbst

Die Millionenerbin Marlene Engelhorn will Millionen verschenken und wird dafür bejubelt. Das ist naiv. Der Fehler liegt schon in ihrer Perspektive.

Eine Person auf einem Flyboard hechtet ins Wasser.

Bisschen abgehoben, die Reichen Foto: Pond5/imago

Als die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn vergangene Woche angekündigt hat, einen Großteil ihres Erbes umzuverteilen, war der Jubel im linksliberalen Milieu groß – und naiv. Über ein Gremium mit dem Namen „Guter Rat für Rückverteilung“ will die Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn 25 Millionen Euro zurück an die Gesellschaft geben.

Die zufällig ausgewählten Mit­glie­der des Gremiums sollen darüber beratschlagen, was mit dem Geld passiert. Es dürfe nur, so Engelhorn, nicht für verfassungswidrige, lebensfeindliche, menschenverachtende oder profitorientierte Zwecke eingesetzt werden. Engelhorn betonte, sie habe keinerlei Entscheidungsgewalt bezüglich der Verteilung ihres Erbes.

In den sozialen Medien sorgt Engelhorns Ankündigung für Begeisterung. Für Politikwissenschaftlerin und Autorin Natascha Strobel ist die Aktion ein „Lichtblick“, die Gründerin der Plattform „Ungleichheit“, Martyna Linartas, fühlt „Dankbarkeit, Hoffnung, irgendwie auch Stolz“ ob der frohen Botschaft.

Auch linke Medien stimmen in den Begeisterungssturm mit ein. So schreibt die Tageszeitung nd, man wünsche sich „solche Klassenverräterinnen“. Der österreichische Standard kommentiert ihren „famosen Auftritt“, zieht sogar Parallelen zu Johanna von Orleans. Also zu einer französischen Nationalheldin und Kriegerin, die im 15. Jahrhundert verbrannt wurde.

Es gilt: Geld strömt nach oben

Diese Reaktionen sind Ausdruck einer Marginalisierung linker Politik. Am Montag hat die Hilfsorganisation Oxfam eine Studie veröffentlicht, die eine Erklärung für derartige Gefühlsausbrüche liefert. Das Vermögen der fünf reichsten Männer habe sich seit 2020 mehr als verdoppelt. Die knapp 5 Milliarden ärmsten Menschen weltweit verloren in derselben Zeit Vermögen in Höhe von 20 Milliarden Dollar. Engelhorns Initiative wird bejubelt, weil sie so unwahrscheinlich ist.

Bei der Entwicklung, wie sie Oxfam skizziert, handelt es sich dagegen um die Regel: Geld strömt nach oben, während freiwilliger Aktivismus von Reichen und Superreichen mit der Lupe zu suchen ist. Wer nun Engelhorns Engagement zur Umverteilung als den Beginn einer Zeitenwende liest, in der Initiativen wie taxmenow mit ihren Forderungen einer gerechteren Besteuerung den Anfang machen, liegt falsch.

Wenn die gesellschaftliche Linke darauf wartet, dass Reiche eigene Vorstellungen einer gerechten Welt formulieren, ist sie verloren

Der Fehler ist schon in der Position Engelhorns begründet: Wenn die gesellschaftliche Linke darauf wartet, dass Reiche eigene Vorstellungen von einer gerechten Welt formulieren, ist sie verloren, denn die Reichen formulieren diese Vorstellungen zu ihren eigenen Bedingungen.

Wie die Bedingungen aussehen, hat Engelhorn skizziert. Ihre Herangehensweise, einen Querschnitt der Gesellschaft für den von ihr initiierten Umverteilungsrat zu adressieren, statt von vornherein die Interessen von Armutsbetroffenen und Ausgegrenzten in den Mittelpunkt zu stellen, riecht nach liberaler Umverteilung mit der Gießkanne.

Gerechte Verteilung von Anfang an

Ein Blick in die Forderungen von taxmenow zeigt: Die Ideen zur Umverteilung sind gut gemeint, ändern aber nicht viel an dem Hauptproblem linksliberaler Steuermodelle: Die fordern höhere Besteuerung, nachdem das Geld von unten nach oben umverteilt wurde.

Hinzu kommt, wie Stephanie Keltorn, die Ökonomin und ehemalige Beraterin des US-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders in einem Interview mit dem Jacobin gesagt hat, dass „das Problem vielmehr darin besteht, dass die Reichen zuallererst mehr als ihren gerechten Anteil nehmen“. Wenn diese Ungleichheiten wirklich geändert werden sollen, müssen progressive Steuerinitiativen genau dort angreifen. Was die Ar­bei­te­r*i­n­nen erwirtschaften, dürfte gar nicht erst in so großem Maß an die Reichen gehen. Nur kann man bei derartigen Rückverteilungsmodellen nicht auf die Unterstützung Reicher hoffen – denn Reiche essen sich nun mal nicht selbst.

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